Cocain
 
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Cocain Methylbenzoylecgonin, 2-Methoxycarbonyltropan-3-ylbenzoat
C17H21NO4, MG 303,4

R1= -CH3: Cocain, R1= -H: Benzoylecgonin

Ältere Schreibweise: Kokain (Scene-Begriff: "Koks" oder "Schnee"). Ein chemischer Extrakt aus den Blättern des Coca-Strauches (botanischer name: Erythroxylon coca), der vor allem in Südamerika und auf den indonesischen Inseln wächst. In den Ursprungsländern wurden die Blätter des Coca-Strauches gekaut, um den Hunger zu vertreiben und euphorische Gefühle zu erzeugen. Das als illegale Droge (BtMG, Anlage I) verwendete kristalline Cocain-Hydrochlorid wird meist geschnupft, indem das als Linie ausgezogene Pulver (50 bis 100 mg, Preis (2005) 50 bis 80 €/Gramm bei 30-60% Reinheitsgrad [EMCDDA]) mit einem Rohr (Strohhalm oder aufgerollter Geldschein) in die Nasenlöcher eingezogen wird. Nach Cannabis liegt der Cocainkonsum derzeit auf Platz 2 des Drogenkonsums in Europa.

Cocain kann jedoch auch i.v-injiziert werden, wobei die Gefahr von Herzrhythmus-Störungen bis hin zum Herzstillstand besteht. Das Gemisch von Cocain und Heroin wird in der Scene als "Speed-Balls" bezeichnet.

Chemischer Wirkstoff

Cocain ist der Methylester des benzoylierten Ecgonins, das als Tropan-Alkaloid mit dem Wirkstoff Atropin in Nachtschattengewächsen verwandt ist. Im Körper wird durch Hydrolyse des Methylesters Benzoylecgonin als Hauptabbauprodukt gebildet sowie unter Mitwirkung von Pseudocholin-Esterasen unter Abspaltung der Benzoylgruppe Ecgoninmethylester. Bei vorangegangenem Alkoholkonsum wird Cocaethylen gebildet.

Physiologische Wirkung

Physiologisch wirkt Cocain vor allem auf die Nerven, betäubt die Ganglien und macht sie unempfindlich gegen Reize. Deshalb wurde es in der Medizin auch zur Lokalanästhesie benutzt. Weitere körperliche Wirkungen erinnern an eine Schilddrüsenüberfunktion oder Atropin-Vergiftung, z.B. Pupillenerweiterung, Hervortreten der Augäpfel, Pulsbeschleunigung, verstärkte Darmbewegungen. Schwächere Dosen erregen das Zentralnervensystem, es kann zu typischen Cocain-Halluzinationen wie Hautkribbeln, das durch Flöhe,Spinnen oder andere kleine Tierchen hervorgerufen scheint, kommen. Bei größeren Dosen herrschen Lähmungserscheinungen vor, eine betäubende Wirkung, die sich auch auf die Schleimhäute des Magens erstreckt. Dadurch verschwinden Hunger und Durst, es kommt zu Appetitlosigkeit und völliger Auszehrung. Die körperlichen Wirkungen halten etwa 5-6 Stunden an.
 

Psychische Wirkung

Die psychischen Wirkungen sind beim Beginn des Konsums überwiegend unangenehm, u.a. tiefe Angstzustände mit Illusionen und Halluzinationen. Erst nach längerem Gebrauch, der auch zu einer körperlichen Abhängigkeit führt, wird der Rausch als Genuß empfunden, z.B. als Steigerung des sexuellen Lustempfindens. Auffällig sind ein erhöhter Bewegungsdrang und die Neigung zu unaufhörlichem Reden verbunden mit stark herabgesetzter Selbstkritik. Nach Abklingen der Wirkung (häufig bereits nach 1 Stunde) folgt ein "starker Kater" mit abgespannten, mißmutigen und schläfrigen Gefühlen, ähnlich einer Depression. Bei Drogentodesfällen durch intravenös injiziertes Cocain wird auch eine allergische Reaktion (anaphylaktischer Schock) als maßgebliche Todesursache diskutiert.

Es können vier Stadien der Cocain-Abhängigkeit beobachtet werden (H.W.Maier, 1926)

  1. Der akute Cocain-Rausch
  2. Die chronische Wirkung, häufig mit dauernden Schädigungen des Nervensystems
  3. Delirien mit Halluzinationen, Euphorie oder Verfolgungsideen
  4. Der Cocain Wahnsinn ( Intoxikations-Psychose): Das Bewußtsein ist getrübt, die Umwelt wird wahnhaft verzerrt wahrgenommen, starke motorische Unruhe kann zu Tätlichkeiten führen.

Metabolisierung / Nachweis

Die Nachweisdauer von Cocain liegt in Serum/Plasma bei ca. 4-6 h (HWZ: 42-90 Min.). In gelagerten Blutproben zersetzt es sich ohne stabilisierenden NaF-Zusatz und Kühlung binnen 2 Tagen vollständig. Als Metabolite treten die Hydrolyseprodukte Benzoylecgonin (HWZ: 5-7 h) und Ecgoninmethylester (HWZ: 4-5 h) auf, die beide pharmakologisch inaktiv sind. Die Hydrolyse erfolgt durch das Enzym Butyrylcholinesterase sowie zwei weitere Leber-Carboxyxlesterasen. Im Urin beträgt die Nachweisdauer mittels immunologischer Schnelltests (als Benzoylecgonin) 3 bis 5 Tage nach dem letzten Konsum. Mittels Haaranalyse sind Cocain und seine Metaboliten sowie Cocaethylen (bei gleichzeitigem Alkoholkonsum) bis zu 6 Monate nachweisbar.

Als Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG gilt ein Nachweis von Benzoylecognin von mehr als 75 ng/ml Serum (Cut-Off-Wert). Bei geringeren Konzentrationen ist die Annahme eines zeitnahen Konsums und einer verkehrsgefährdenden Wirkung zunehmend unwahrscheinlich. Die Bestimmungsgrenze wurde durch die GTFCh (1.6.2009)für Cocain auf 10 µg/l im Serum, für Benzoylecognin auf 30 µg/l herabgesetzt.

Forschung

Bislang existiert keine Möglichkeit zur Behandlung einer Cocain-Intoxikation. Als neuer Ansatz wird eine künstlich hergestellte Butyrylcholinesterase getestet, deren Aktivität ca. 2000fach höher ist, als die des natürlich vorkommenden Enzyms. Damit kann die HWZ des Cocains von 42-90 Min. auf 1,3 bis 2,7 Sekunden verkürzt werden. Quelle: Zheng et. al, J. Am. Chem. Soc., 130 (36), 12148-12155, 2008.

Therapie bei Intoxikationen

Zur Sedierung erfolgt Gabe von Benzodiazepinen, wobei Diazepam auch dem Hypertonus entgegenwirkt. Bei Herzrhythmusstörungen wird die Gabe von Verapamil (Betarezeptor-Blocker) empfohlen. (Quelle: Vergiftungszentrale Bonn)

Geschichte

In Deutschland wurde Cocain 1860 erstmals durch den Chemiker Niemann isoliert. Siegmund Freud untersuchte seine medizinische Anwendungsmöglichkeit zur örtlichen Betäubung bei Operationen. Dem späteren Nobelpreisträger Richard Willstätter gelang 1902 die synthetische Herstellung von Cocain.

1886 erfand Pemberton die berühmte Coca-Cola, die bis 1906 Coca-Extrakt enthielt, der dann durch Coffein ersetzt wurde.

Ende des 19. Jahrhunderts wurde Cocain wegen seiner euphorisierenden und antriebssteigernden Wirkung zur Modedroge in Europa. Vor allem Künstler und Intellektuelle schnupften Cocain.(Scene-Begriff: "Sniefen")

In den USA wurden in Künstlerkreisen und in der gehobenen Mittelschicht sogenannte Speed-Balls, eine Mischung von Cocain und Heroin injiziert.

Ende der 80er Jahre tauchte zunächst ebenfalls in den USA Crack, eine Aufkochung von Cocain mit Backpulver mit starkem Suchtpotential auf. Wegen des geringeren Preises wurde es in den USA vor allem von Jugendlichen der Unterschicht konsumiert. Schädliche Wirkungen werden besonders bei süchtigen Schwangeren sichtbar, da die Neugeborenen unter besonders starken Entzugserscheinungen leiden (sog.Crack-Babies). Als Nachweis des Crack-Konsums dient der spezifische Metabolit Anhydroecgonin-methylester.

Eine weitere Zubereitung von Cocain in den USA, die wegen ihres hohen Preises auf Grund des hohen Reinheitsgrades vor allem in der Oberschicht und in Künstlerkreisen konsumiert wurde, ist die sogenannte Freebase. Durch einen chemischen Prozess wird aus dem meist verunreinigten Straßencocain (Cocain-Hydrochlorid)die reine Base in einer kristallinen, nicht wasserlöslichen Form gewonnen, die sich wegen ihrer Hitzebeständigkeit ausschließlich zum Rauchen eignet. Die Inhalation führt zu einer intensiven Rauschwirkung, die jedoch nur kurze Zeit anhält.

Seit 1977 wurden auch in Deutschland immer größere Mengen von Cocain sichergestellt, die durch Händlerringe aus Südamerika eingeschmuggelt wurden. In den letzten Jahren wurde Cocain auch in der Bundesrepublik Deutschland wieder als sogenannte "Leistungsdroge" von Sportlern zur Antriebssteigerung und von Intellektuellen in kreativen Berufen "gesnieft", da es durch die Stimulierung bestimmter Gruppen von Nervenfasern im Hirnstamm zu einer subjektiv erlebten Beschleunigung von Denkprozessen führt. Durch die Aktivierung des Dopamin-Systems droht allerdings eine erhöhte Gefahr von epileptischen Krämpfen, Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Siehe auch Drogentod und Streckmittel

Lit. Maier, H.W.: Der Kokainismus, Leipzig, 1926
Psychopharmakologische Untersuchungen über Cocain und Ecgonin, Arzneimittelforschung/ Drug Research 21: 275-284, 1971
v. Scheidt, J.: Der falsche Weg zum Selbst - Studien zur Drogenkarriere, München, 1976

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